Klimaschutzgesetz: Was braucht es wirklich für 1,5 Grad?

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Es ist 2021 und Dir ist sicher klar: Wir alle müssen das Klima schützen. Wir können zu Hause Ökostrom beziehen, nachhaltige Kleidung kaufen oder mit dem Rad fahren: Doch wie bringen wir alle Menschen dazu, so zu handeln? Können Gesetze dafür sorgen? Wie sieht es mit großen Konzernen aus? Was steht überhaupt in Gesetzen zum Klimaschutz? Hier erfährst Du mehr zu den europäischen Klimaschutzgesetzen und was sie für Regierungen, Konzernen und Bürger:innen bedeuten. 

Was steht im deutschen Klimaschutzgesetz?

Mit dem derzeitigen Klimaschutzgesetz, das am 12. Mai verabschiedet wurde, könnte Deutschland gerade so die Pariser Ziele erreichen – also dazu beitragen, die Erderwärmung um 1,5 Grad zu senken. Im Jahr 2045 wäre Deutschland klimaneutral. Im Kern steht die Reduzierung des CO2-Ausstoß:

  • Bis 2030 um 65%
  • Bis 2040 um 88%
  • Bis 2045 um 100%

Kritik am Klimaschutzgesetz

Den einen ist das Gesetz nicht streng und verbindlich genug, den anderen geht das Gesetz zu weit.  

Zum vorherigen Gesetzesentwurf verklagten Fridays for Future, Greenpeace, die Deutsche Umwelthilfe und der BUND die Bundesregierung und erhielten Recht: Aufgrund ihrer Kritik wurde der Entwurf auf die oben stehende Version verschärft. Grund war, dass die Bundesregierung mit weniger ambitionierten Zahlen den folgenden Generationen zu viel abverlangt und sie in ihren Freiheitsrechten zu stark einschränken. 

In Frankreich gab es einen ähnlichen Fall. Organisationen klagten und bekamen Recht vom Verfassungsgericht: Die französische Regierung tue zu wenig für den Klimaschutz. 

Auf der anderen Seite klagen Hauseigentümer und Verkehrsverbände, das Gesetz würde verunsichern. Es sei hektisch entworfen und beinhalte Illusionen, die nicht planbar sind. Unternehmenszusammenschlüsse befürchten Wettbewerbsnachteile, wenn sie ihre Strategie zugunsten des Klimas anpassen. Sie bemängeln in Bezug auf Solar- und Windkraft, Genehmigungen und Flächen seien schon jetzt kompliziert zu bekommen. 

Egal, ob dies Ausreden sind oder nicht: Es bleibt die Sorge, dass die Industrie nicht mitmacht. Selbst wenn finanzielle Klimapakete von der Regierung freigemacht werden, wie z.B. für durch Ökostrom erzeugten Wasserstoff als Energie für Stahlwerke.

Wie lassen sich die Ziele des Klimaschutzgesetzes erreichen? 

Dazu gibt es bisher tatsächlich wenig auf dem Papier. In einer Studie haben Wissenschaftler:innen sich verschiedene Bereiche angeschaut und unter Berücksichtigung von bisherigen Verbrauch und Preisen mögliche Zukunftsprognosen aufgestellt. 

Zum Beispiel:

  • Vollständige Abschaltung der Kohlekraftwerke schon 2030, nicht wie bisher angedacht 2038.
  • Verdopplung der Anzahl an neugebautenen Solaranlagen.
  • Die Mobilität der Menschen könnte gleich bleiben, allerdings müssten sie einen größeren Teil mit dem OPNV oder dem Rad zurücklegen.
  • Ab 2032 nur noch der Verkauf von Elektroautos, die mit Ökostrom geladen werden.
  • Die Agrarindustrie dürfte ab sofort nicht mehr auf Viehzucht ausgerichtet sein; Massentierhaltung muss deutlich reduziert werden. 

Internationaler Vergleich: Wie schneidet das Bundes-Klimaschutzgesetz ab?

Mittlerweile haben rund die Hälfte aller Länder in der EU ein Klimaschutzgesetz oder bereiten es vor, unter anderem die Niederlande, Frankreich, Finnland und Irland. Vergleicht man unser Bundes-Klimaschutzgesetz mit den Entwürfen unserer Nachbarländer fällt auf: Sie alle haben zwar langfristige Ziele, aber an den kurzfristigen Zielen und konkreten Schritten mangelt es. Oftmals benennen sie Verantwortlichkeiten oder Arbeitsmechanismen nicht klar genug. 

Positiv ist an allen Entwürfen, dass sie ihr jeweiliges Nationalparlament miteinbeziehen und so Diskussion und Transparenz über die Klimabemühungen entstehen können. Außerdem beziehen alle Gesetze wissenschaftliche Berater:innen mit ein – zum Teil werden allerdings keine konkreten Gelder für sie eingeplant. 

Auch Windenergie ist tief im Klimaschutzgesetz verankert.

Grundsätzlich ist es gut, dass viele Staaten Klimaschutzgesetze entwerfen. Dies signalisiert Unternehmen und Bürger:innen, dass sie in Sachen Klimaschutz ins Handeln kommen möchten. Die Entwürfe müssen allerdings noch konkreter werden. Außerdem ist Klimaschutz ein globales Problem, deshalb müssen die Staaten ihre länderübergreifende Zusammenarbeit verbessern, wie z.B. durch das Klimaschutzgesetz der EU. 

Am Beispiel Deutschlands und der EU wird dieser Zusammenhang deutlich: In seinem Bundes-Klimaschutzgesetz muss Deutschland die Zahlen aus dem EU-Gesetz berücksichtigen. Wenn hier steht, dass die EU bis 2030 55% weniger CO2 ausstoßen muss und Deutschland eine der größten Industrienationen in der Union ist, muss Deutschland sich logischerweise ein höheres Ziel setzen. 

Ein weiteres Problem ist, dass viele Konzerne, die maßgeblichen Einfluss auf geringere Treibhausgase nehmen können, stark multinational aufgestellt sind. Es könnte schwer zu erkennen sein, welcher Gesetzesgrundlage sie in welchen Bereichen unterliegen. 

Sind die Klimaschutzgesetze ausreichend? 

Es gibt also Gesetze, doch reicht das? Wir befinden uns in einer ungewohnten, globalen Situation: Wir müssen Anforderungen und Verantwortlichkeiten für etwas aufstellen, bei dem die Ausmaße noch nicht völlig erforscht sind. Wir wissen nicht, wie leer das Glas genau ist. 

Expert:innen zufolge ist es zum Beispiel nicht so wichtig, wann ein Staat komplett klimaneutral wird. Viel wichtiger ist, wie viel CO2 er auf dem Weg dorthin noch ausstößt. Sie haben Berechnungen, wie viel CO2 weltweit noch ausgestoßen werden darf. Allerdings bringt ein Parameter die sonst so verlässliche Gleichung ins Wanken: Es ist unklar, wie viel die globalen Temperaturen in den nächsten Jahren steigen werden, weil das unter anderem vom unsicheren Zustand der Permafrostböden abhängt. 

Selbst mit verlässlichen Berechnungen bliebe ein Problem bestehen: Klimaschutz geht nur global, doch welches Land muss wieviel tun? Müssen reiche Industrienationen mehr für den Klimaschutz tun, weil sie industrielle Änderungen schneller umsetzen können? Sollten wir die Maßnahmen daran messen, wie viel CO2 ein Staat in der Vergangenheit ausgestoßen hat? Derzeit berechnen Expert:innen häufig anhand der Landesbevölkerung, wie viel CO2 ein Land noch ausstoßen darf. Expert:innen errechneten, dass Deutschland ab 2020 nur noch 6,7 Gigatonnen CO2 ausstoßen darf, um die Klimaziele zu erreichen. Im deutschen Klimaschutzgesetz steht keine konkrete Zahl.

Haben Klimaschutzgesetze bisher für Veränderung gesorgt?

Jein.

In den Niederlanden verklagten jüngst 17.000 Bürger:innen und Organisationen den Konzern Shell. Er müsse seinen CO2 Ausstoß bis 2030 um 45% reduzieren; die bisherigen Zielsetzungen seien nicht genug. Shell wehrte sich bis zuletzt: Dies würde nur bedeuten, dass ein anderes Unternehmen den Bedarf an Öl und Kohle decken müsste. Das Gericht entschied: Nein, Klimaschutz sei Aufgabe aller.

Tut Shell genug für den Klimaschutz?

Auch das deutsche Klimaschutzgesetz wurde angepasst, um einer Generationsverantwortung gerecht zu werden. Ebenso wurde der französischen Regierung gerichtlich nachgewiesen, nicht genug für den Klimaschutz zu tun.  

Klimaschutzgesetze können also als Grundlage gerichtlichen Entscheidungen helfen. 

Wer muss sich um Klimaschutz kümmern?

Ist Klimaschutz nun Aufgabe des Staates, der Bürger:innen, der Unternehmen oder der Gerichte? Was können wir für Schlüsse ziehen? 

Die Beispiele zeigen: Klimaschutzgesetze allein sorgen nicht für Veränderungen. Treiber sind Initiativen, Petitionen und viel Engagement. Doch das Rückgrat sind Gesetzgebungen, auf die sich Gerichte beziehen können: Egal, ob es beim Prozess um eine Staatsregierung oder einen internationalen Konzern geht. Es bringt nichts, Zahlen zu schieben und sich gegenseitig Verantwortungen zuzuweisen. Die Zeit drängt und alle Akteure müssen mitmachen: Parlamente, Regierungen, Unternehmen, Organisationen und Bürger:innen. 

Die aktuellen Gerichtsurteile zeigen: Wenn sich jede:r von uns nicht nur im Privaten, sondern auch in der Öffentlichkeit für Klimaschutz einsetzt und/oder sich mit anderen zusammentut, bringt das etwas.

Auf der anderen Seiten sehen wir auch: Große Unternehmen, die maßgeblich dabei helfen können, die Erderwärmung um 1,5 Grad (oder mehr!) zu senken, machen nichts von allein. Sie warten auf eine Aufforderung, z.B. in Form von Gerichtsurteilen. Der Rückschluss wäre, dass Gesetze verbindlicher sein müssen. Gäbe es regelmäßige Kontrollen, müssten Veränderungen nicht erst aufgrund von Beschwerden entstehen. 

Mein Fazit: Solange bei Unternehmen nur Profit im Vordergrund steht und Politiker:innen sich durch Lobbyismus leiten lassen, braucht es das Engagement von Bürger:innen, um Klimaschutz wirklich voranzubringen. Wenn sie das tun, wird ihnen auch Recht gegeben und sie können die Gesetzesausführung stark beeinflussen. Doch bis dahin wird viel von ihnen abverlangt werden. Es braucht viele aktive Menschen, damit Politik und Wirtschaft verstehen: Einen gesunden Planeten kann man nicht kaufen, für kein Geld der Welt.

Wie wir bei Loveco mit unseren Emissionen umgehen, kannst Du in diesem Beitrag zu Klimaneutralität nachlesen. Unsere aktuelle Klimabilanz findest Du natürlich auch bei uns auf der Webseite.

Quellen

Zeit Online “Kann Deutschland so die neuen Klimaziele erreichen?
Bundesregierung “Generationenvertrag für das Klima
Tagesschau “Hausbesitzer drohen mit Verfassungsklage
European Climate “Climate Laws in Europe
Zeit Online “Deutsches Klimaschutzgesetz ist in Teilen verfassungswidrig
Zeit Online “Französisches Gericht macht Staat für Klimaschäden verantwortlich
NTV “Gericht verdonnert Shell zu neuen Klimazielen

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