„Tiere haben keine Lobby!“: Über Veganismus & Mode

Lesedauer: 9 Minuten.

Geschrieben von Christina.

Wie ich oft erwähne, bin ich auf einem Bauernhof aufgewachsen. Das hat mich aber nicht automatisch zu einer Vegetarierin oder gar Veganerin gemacht. Man könnte sich fragen, warum. Vermutlich, weil es mir vorgelebt wurde, dass Tiere dazu da sind, sie auch zu essen. Aber auch, weil sich die klassische Landwirtschaft sehr verändert hat. Heute reden wir von einer Industrie, der Agrarindustrie, statt von Landwirtschaft. Da sträubt sich schon einiges bei mir.

Kühe und Ackerbau: Wie ich aufwuchs

Heute zieht sich mein Magen beim Wort Nutztier immer etwas zusammen. Es braucht halt manchmal eine Weile, bis man Dinge durchschaut und hinterfragt. Vielleicht lag es auch daran, dass unsere 20 Kühe noch Namen hatten. Isabell war eine rotbraun gefleckte Kuh. Ich habe sie geliebt. Unsere Kühe kamen im Sommer auf die Weide und standen auf Stroh. Ja, in einem Anbindestall, also im Winter auch lange einfach nur an einer Stelle stehend. Dennoch waren die Dimensionen andere als in der heutigen Agrarindustrie.

Irgendwann ging meine Familie den Schritt und gründete eine GbR mit einem Kompagnon. Unsere Kühe kamen auf für sie unbekannten Spaltenboden. Das hieß einerseits Bewegung im Stall und regelmäßiger Auslauf auf der angrenzenden Weide. Doch unsere Kühe kannten Stroh unter den Klauen. Einige rutschen aus, fielen hin und verletzten sich. Einige von ihnen verkrafteten die Umstellung nicht und mussten geschlachtet werden. So war ich nicht böse, als mein Vater aus dieser GbR austrat und sich danach nur noch dem Ackerbau verschrieb. Es war auch damals schon nicht schön, die Tiere so zu sehen. 

So wurde ich vegan

Trotzdem habe ich mich damals noch nicht vegetarisch oder vegan ernährt. Das kam erst ein paar Jahre später. In meinem Job bei DearGoods in Prenzlauer Berg direkt neben dem veganen Supermarkt Veganz und veganen Schuhladen Avesu wurde mir vor Augen geführt, dass vegetarisch leben eigentlich nicht reicht, wenn man sich wirklich um Tierwohl sorgt. Also kamen die ersten Sojamilchsorten mit nach Haus. 

Ich war bereits zuvor im Studium Vegetarierin gewesen und hatte mich zu dem Zeitpunkt rauf und runter mit der nachhaltigen Textilproduktion beschäftigt. Doch dort ging es nur wenig um die Auswirkungen der Textilproduktion auf die Tierwelt. Das wurde mir also erst in diesem neuen Job bei DearGoods klar. Plötzlich machte alles Sinn, was ich vom Hof kannte, aber nie hinterfragt hatte: Kleine Kälber, die nach ihrer Mutter riefen, Mutterkühe, die nach ihren Kälbern blökten, Tiere, die abtransportiert wurden und über Tage auf Lastern ins Ausland verfrachtet wurden. 

Damals waren die Strukturen der heutigen Massentierhaltung in ihren Anfängen. Die Folgen sind erst heute richtig sichtbar, aber man hätte sie vorhersehen können.

Warum wird der Konsum von Milchprodukten nicht hinterfragt? 

Viele hinterfragen den Konsum von Milchprodukten und Fleisch nicht weiter. Es gibt keinen Bezug dazu: Sie liegen ja einfach im Supermarktregal. Die Wenigsten verstehen, was dahinter steckt.

5 Basics zur Milchindustrie

  • Kühe müssen immer wieder besamt – also künstlich befruchtet – werden, um Milch zu geben. 
  • Sie werden von ihren Kälbern nach der Geburt getrennt, damit die Milch für uns Menschen gemolken werden kann. 
  • Sie würden keine Milch geben, ohne immer wieder trächtig zu sein, genau wie wir Menschen. 
  • Die meisten Kühe sind heute hochgezüchtet – auf die maximale Ausbeute an Milch.
  • Viele brechen nach nur wenigen Jahren unter der Last ihres eigenen Euters zusammen und werden geschlachtet.

Der Traum von glücklichen Kühen

Ja, es gibt „glückliche(re)n“ Kühe, die auf der grünen Wiese stehen. Alte Rassen, die nicht für die Gier des Menschen hochgezüchtet wurden und die sicher ein glücklicheres Leben fristen als die Kühe, die mit 200 anderen in einer Art Milchfabrik stehen. Trotzdem kommen wir um einige Fakten nicht drumherum.

Fakten zum Mythos

  1. Diese Milch findet man (bisher) nicht in den Supermärkten und erreicht nicht den Massenmarkt.
  2. Das Problem mit dem weggenommenen Kälbchen ist damit auch nicht gelöst. 
  3. Nur ein winziger Bruchteil der Kühe darf sein Kalb großziehen, bis es sich von allein von der Mutter abnabelt. Bei dieser Art wird den Kühen nur das an Milch genommen, was die Kuh überschüssig produziert und das Kalb nicht trinkt. (Diese Methode nennt sich kuhgebundene Kälberaufzucht. Doch das ist selbst bei demeter nicht zwingend erforderlich.) 

Kühe und Mütter

Ich frage mich manchmal, ob es den Menschen vielleicht nur bewusst wird, wenn sie sich in die Situation einer Mutter hineinversetzen. Wenn man einer menschlichen Mutter direkt nach der Geburt das Kind wegnehmen würde, wäre der Aufschrei groß. Ich habe dieses Blöken der Mutterkühe und Kälber noch im Ohr. Sie haben genauso Gefühle, die wir nur noch nicht endgültig erforscht haben. Ich habe ein Problem damit, dass wir Menschen denken, wir seien weiter entwickelt und dürften deshalb ganz selbstverständlich Tiere ausbeuten.

Ich habe bewusst das Beispiel Kuh gewählt. Sie ist für mich am greifbarsten. Andere Tiere hatten wir nicht auf unserem Hof. Selbstverständlich kann man das aber weiterführen.

Andere Beispiele aus der Massentierhaltung:

  • In der Eierindustrie vernichten wir männliche Küken, weil sie für die Lebensmittelindustrie nichts wert sind. 
  • Schweine fristen kein Leben, sie werden (und da fällt mir wirklich kein anderes Wort ein) versklavt: In Boxen, die gerade so groß sind, wie sie selbst. Der Grund? Sie könnten ihre Ferkel tot liegen. 
  • Tiere werden wegen ihrer Pelze in winzigen Drahtkäfigen gehalten, um sie irgendwann zu enthäuten und Pelzjacken daraus zu machen.

Diese Liste könnte man endlos weiterführen.

Back to Business: Tierleid in der Mode

Abseits all dieser persönlichen Reflexionen ist unser Bereich Mode. Warum sollte man sich nun auch noch hier Gedanken machen? Für viele ist das noch viel weniger greifbar. 

Wir verzichten auf Leder, Wolle, Seide, Perlmutt und Daunen. Natürlich auch auf Pelz. Bei letzterem hoffen wir, dass man das nicht mehr erklären muss. Falls doch: Einfach mal hier vorbeischauen. 

Leder: Kein Abfallprodukt

Diese Tasche ist tierleidfrei: Sie ist nicht aus Leder, sondern aus recycelten PET Flaschen.

Bei Leder können viele noch folgen. Leder ist immer ein Material, für das ein Tier sterben musste. Auch als Vegetarier:in ist es also nicht tragbar. Was vielen oft nicht klar ist: Die Tiere werden häufig nur für die Gewinnung von Leder gehalten, d.h. sie liefern kaum andere Rohstoffe oder Nahrung und sterben vorrangig für die Ledergewinnung. Auch hier wird Tierschutz leider nicht sonderlich groß geschrieben.

Dazu kommen in der Lederproduktion die verheerenden Arbeitsbedingungen für die Menschen und die Umweltverschmutzung. Darüber haben wir hier bereits berichtet.

Wolle: Kein Tod, aber große Qual

Bei Wolle hören wir natürlich immer wieder: Aber dafür stirbt ja das Tier nicht. Stimmt! Im besten Fall nicht! Trotzdem setzen wir das Schaf, die Ziege, das Kaninchen etc. unter wahnsinnigen Stress. Es erleidet nicht selten Verletzungen oder wird brutal gefesselt, um es scheren oder kämmen zu können. Und nein, ein nicht gezüchtetes Schaf hätte genau so viel Wolle, damit es den Sommer gut überstehen würde. Ohne Scheren. Das hat die Natur schon ganz klug eingerichtet! Wie so vieles.

Vegane Mode wächst

Ich denke, damit wird deutlich, warum für mich bei Firmengründung klar war, dass ich ein veganes Unternehmen gründen wollte. Mode ist ein absolutes Luxusgut. Dass wir nicht nur auf Menschen und die Umwelt achten sollten, sondern auch auf Tiere, ist mir daher besonders wichtig. Sonderlich verbreitet ist Tierethik in der Textilbranche nicht, noch weniger als im Lebensmittelbereich. Doch wir merken, dass das Bewusstsein größer wird, auch in unseren Läden! Das ist toll! 

Ein Trugschluss ist allerdings oft bei veganer Mode: Weil etwas vegan ist, ist es auch automatisch nachhaltig. Das führt immer wieder zu Verwirrung. Deshalb achten wir stets auf alle drei Säulen, auf die unser Business aufbaut: Eco, Fair und Vegan. 

Woran Du vegane Kleidung erkennen kannst, erfährst Du in diesem Beitrag.

Niemand ist perfekt

Jetzt denkst Du vielleicht: Boah, was für eine Moralkeule, wie dogmatisch, muss das sein?

Ich finde: Ja, das muss es! Eigentlich noch viel mehr!

Doch ich kann Dich auch beruhigen: Nobody is perfect. Auch ich habe meine Zwiespälte. Dann ist da diese Feier von Freund:innen auf dem Dorf. Wenn man mal wieder nicht nur die Beilagen essen will und den leckeren Auflauf sieht, bei dem keiner so genau weiß, was drin ist und ich es nur erahnen kann. Ja, auch ich mache Ausnahmen! Dafür versuche ich meinen Alltag in Berlin so vegan wie möglich zu gestalten. Wenn das ein paar mehr Menschen machen würden, dann wäre echt viel erreicht! 🙂 

Nicht nur für Tiere, sondern auch für Klima und Solidarität

Wenn Du das mit dem Tierschutz nicht einsiehst, weil Dir Tiere einfach am Ar*** vorbeigehen, dann mach es aus anderen Gründen:

  • Tue es für den Umweltschutz! Jedes Schaf, jede Kuh, das/die für Wolle oder Leder gehalten wird, stößt Methan aus. Das ist 25mal schlimmer als CO2
  • Tue es für die Menschen, die in diesen Industrien arbeiten! Die Industrien sind Profit getrieben und die Menschen arbeiten häufig unter menschenunwürdigen Bedingungen. Auch hier findet moderne Sklaverei statt. 

Am Ende denke ich: Wir stellen uns als Menschen über die Bedürfnisse und das Dasein anderer Lebewesen. Sie haben keine Lobby, sie können uns nicht sagen, was wirklich in ihnen vorgeht, wenn sie unter Angst auf Transporter geladen, in Schlachthöfe gebracht werden und dort den Todesschuss erhalten. Wir nutzen sie aus und das hat in der konventionellen Landwirtschaft (und leider auch in anderen Formen der Landwirtschaft) schon lange nichts mehr mit einem respektvollen Umgang zu tun. Also einfach mal: Finger weg!!!

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