Das neue Arket: Nachhaltiger als H&M?

Geschrieben von Christina.

Bei H&M läuft es nicht so gut. Na klar, sie sind immer noch einer der größten Textilproduzenten weltweit. Doch die Planzahlen der stationären Läden werden zur Zeit nicht erreicht und auch online läuft es verhältnismäßig schlecht. Was tun?

Es braucht neue Konzepte. Der Konzern H&M weiß, dass er auch Menschen in die Stores locken muss, die er normalerweise nicht anziehen würde.

Und wie ginge das besser als mit einem vegetarischen Café, einem Feeling von “Slow Fashion” und “Capsule Wardrobe” und dem Lieblingswort: Nachhaltigkeit. All das soll die neue Kette Arket nun richten.

Die erste deutsche Arket Filiale hat im Oktober 2017 in München eröffnet. In Berlin musste man auch nicht lange auf eine Eröffnung am Kudamm warten. Ich war vor Ort in der Berliner Filiale und habe den Mitarbeiterinnen einige Fragen gestellt.*

Vor Ort: Christina bei Arket

In der Filiale angekommen, sehe ich mir zuerst die Materialien genauer an. Ich stelle einer Mitarbeiterin die Frage, wie Arket genau definiert, dass nachhaltig produziert wird. Die Antwort lautet, dass sie nachhaltiger agieren wollen, aber nicht zu 100% nachhaltig sind. Okay.

Ich finde viele Kleidungsstücke aus (recyceltem) Polyester. In einigen Teilen steht nur Polyester, im Swimwear Bereich finde ich viel aus Econyl. Hier werden die Aussagen der Mitarbeiterinnen schon etwas schwammiger. Die erste Mitarbeiterin versichert, alles Polyester sei recycelt, die zweite kann das nicht bestätigen.

Biobaumwolle kann ich interessanterweise nur bei ein paar wenigen Teilen finden, vermehrt in der Kids Collection. Alles andere sei, so sagt man mir auf meine Nachfrage, Baumwolle aus der Better Cotton Initiative (BCI).

BCI ist ein weltweites Programm zur Verbesserung der sozialen und ökologischen Bedingungen im Baumwollanbau. Allerdings stammt die Baumwolle aus dieser Initiative noch nicht aus kontrolliert biologischem Anbau. Auch die Sozialstandards sollen erstmal nur verbessert werden und reichen z.B. nicht an Richtlinien des GOTS Siegels heran.

Foto eines Materialetiketts bei Arket
Zu den Arbeitsbedingungen sagt man mir, dass in anderen Fabriken produziert würde als Kleidung für H&M. Arkets Ziel sei es, das Produkt vom Material bis zur Produktfertigung zu begleiten und zu verbessern.

(Später lesen wir in der Süddeutschen Zeitung, dass die gleichen Produktionsstrukturen und Zulieferer wie H&M genutzt werden. Da die Süddeutsche Zeitung wahrscheinlich mit der Geschäftsführung und nicht mit Angestellten gesprochen hat, gehen wir leider davon aus, dass die Produktion für H&M und Arket an den gleichen Orten stattfindet.)

Auf die Frage, ob auch H&M seine Standards verbessern wolle, kommt keine konkrete Antwort. Doch sie würden, genau wie “and other stories” oder “Weekday” in vereinzelten Bereichen stärker auf die Produktion achten wollen.

Was das genau heißt – schwer zu definieren.

Foto von Arket in Berlin am Kurfürstendamm

Entschleunigung: Kernkonzept oder Marketingsprache?

Ich merke sofort: Die Stimmung im Laden ist anders als bei H&M. Sie lädt wirklich zum Verweilen ein. Die Stücke sind zeitloser, da ist schon etwas dran. Ich spreche mit Lina darüber und sie recherchiert ein wenig zu Arkets Positionierung. Die Ergebnisse passen zum Eindruck von meinem Besuch.

Trotz des Fokusses auf Nachhaltigkeit und Langsamkeit, kann Arket anscheinend nicht bei zwei Kollektionen im Jahr bleiben – ein Zyklus, der in der nachhaltigen Modebranche die Norm ist.

Managing Director Lars Axelsson kündigt auf mehrfache Nachfrage der Medien an, dass es zusätzlich zu den Kollektionen “Drops mit saisonalen Schwankungen und Neuzugänge im Kernsortiment” geben wird. So werden also doch wieder schnelllebige Trends etabliert.

Auch die Sprache von Arket wirft die Frage auf, ob Langlebigkeit, Langsamkeit und Zeitlosigkeit Markenzeichen von Arket sind oder nur eine Marketingformulierung.

Es wird in nostalgischem Ton von Archetypen und Archiven gesprochen. Reicht das allein aus, um als Unternehmen grundsätzlich nachhaltig zu sein?

Kleiderbügel mit Kleidungsstücken darauf in einem Ladengeschäft

Der große Bruder: Kann Arket sich von H&M losmachen?

In Interviews erklärt Axelsson, dass man mit unabhängigen Lieferanten arbeite und nicht direkt Mitarbeiter in Fabriken beschäftige.

Man wolle natürlich, dass ein fairer Lohn gezahlt wird, doch Axelsson sagt dazu: “Der beste Weg, die Löhne für Textilarbeiter langfristig zu verbessern, ist die Verbesserung der Lohnstrukturen für die gesamte Branche. Wir glauben daran, dies gemeinsam mit Fabrikbesitzern und -mitarbeitern, mit anderen Marken sowie mit den Regierungen der jeweiligen Länder zu tun.”

Das klingt danach, als würde Arket selbst keine Forderungen stellen. Stattdessen scheint das Unternehmen einfach in der Branche mitzuschwimmen und zu schauen, ob sich dann so – ohne großes Zutun – etwas verbessert. Es klingt lediglich nach freiwilligen Selbstverpflichtungen. Da geht noch mehr.

Natürlich ist es ein Anfang, dass Arket all seine Zulieferer transparent darlegen kann. Das ist um einiges besser als bei vielen anderen Marken, die dies nicht tun.

Doch genau das mag den Anschein erwecken, dass Arket auch weiß, was in allen Fabriken zu jeder Zeit vor sich geht. Das heißt es aber leider nicht.

Außerdem stellt sich die Frage: Wenn Arket schon mit wenigen Zulieferern arbeitet, warum dann nicht gleich mit zertifizierten Betrieben? Weil Arket doch noch zu stark mit H&M zusammenhängt? Und weil man sonst nicht mehr die (verhältnismäßig) geringen Preise garantieren könnte?

Fazit: Da geht noch was, und zwar einiges

Natürlich begrüßen wir, dass H&M wegen sinkender Nachfrage und Käuferrückgang mit Arket eine neue Richtung einschlagen möchte. Ohne diese großen Player in der Modeindustrie bleibt die Bewegung zu einer faireren und ökologischeren Textilbranche noch Jahrzehnte in ihrer Nische.

Doch bei der Größe des Unternehmens könnte man das noch besser machen. Axelsson erklärt, dass Arket “Blatt Papier” im Schwedischen bedeutet und somit für einen Neuanfang steht. “‘Wir hatten nur ein Blatt Papier, als wir angefangen haben’ sagt er. “Das, und einen der größten Bekleidungskonzerne der Welt im Rücken.“ schreibt die Süddeutsche.

Und das ist verdammt wahr. Von dieser Verantwortung, Macht und Relevanz auf dem Markt kann H&M sich nicht freimachen, selbst wenn es eine neue, bessere Marke gründet. Viele kleine Labels starten ganz anders und machen vieles von Grund auf ganzheitlicher.

Denn es geht, wenn man es wirklich möchte. Und wenn einem wirklich etwas daran liegt. Wenn ein Unternehmen mit seinen herkömmlichen Methoden einbüßt und sich ganz plötzlich Nachhaltigkeit auf seine Fahnen schreibt, weil es gerade „en vogue“ ist, dann bekommt es leicht den bitteren Beigeschmack von Greenwashing.

*Wir möchten darauf hinweisen, dass wir bei Arket unangekündigt mit Mitarbeiterinnen gesprochen haben, die nicht darauf vorbereitet waren. Sie haben sich aber auf Nachfrage offen geäußert und auch bestätigt, dass sie sich mit dem Konzept und den Hintergründen auskennen.

2 Comments

  1. Sina 20. Oktober 2018 at 20:19

    Die Frauenzeitschrift Madame hat vor kurzem auch eine Liste mit Nachhaltigen Labels veröffentlicht und Arket mit aufgeführt: https://www.madame.de/arket-langlebigkeit-statt-fast-fashion-1261544.html
    Langlebig sind die Sachen ja tatsächlich im wahrsten Sinne, wenn sie zum Hauptteil aus Kunststoffen sind…🙄😒
    Die Beschreibungen zu den anderen Labels waren auch eher ernüchternd.

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