Warum unser Sale nichts mit Fast Fashion zu tun hat

Lesedauer: 5 Minuten.

Schon seit einiger Zeit wird in den Medien darüber diskutiert: Wie viel Sale darf es bei einem nachhaltig handelnden Unternehmen sein?

Es wird kritisiert: Es reicht nicht, Biobaumwolle Kleidung zu verkaufen, die unter fairen Arbeitsbedingungen produziert wurde, wenn man konventionelle Marketingstrategien nutzt und in vier Newslettern pro Woche durch grelle Sale-Ankündigungen zu Konsum aufruft.

Auch ich habe früher im Sale anderer Online Shops gestöbert. Es befriedigte mich, zu schauen, ob ein absolutes Lieblingsteil nicht doch reduziert mein Eigen werden könnte. Mittlerweile änderte sich mein Verlangen und ich frage mich: “Brauche ich das wirklich?” So denke ich oft 10x darüber nach, ob es eine Second Hand Variante vom Flohmarkt auch tut oder etwas Ähnliches in meinem Schrank schlummert.

Das hier soll aber kein Text über meinen persönlichen Konsum sein. Stattdessen möchte ich die Frage beantworten: Wie nachhaltig ist faire Mode eigentlich, wenn sie ständig mit Sale-Aktionen wirbt?

Fast Fashion: Nur für den Sale produziert

Ist Sale nachhaltig?

Schauen wir uns zuerst an, was ein Sale bei konventionellen Marken bedeutet:

  • Häufig werfen Unternehmen extra für den Sale vorgesehene Kollektionen auf den Markt. Sie sind von Anfang an für nichts anderes vorgesehen als „verramscht“ zu werden.
  • Wir Konsument:innen werden so hinters Licht geführt. Uns wird vorgegaukelt, wir hätten das absolute Schnäppchen gemacht.
  • Außerdem werden dabei menschliche und ökologische Ressourcen massiv ausgebeutet.

Fair Fashion: „Natürlicher“ Sale

Nun zur Frage, warum auch Fair Fashion Labels einen Sale machen. Tja, es gibt wahrscheinlich nicht die eine Antwort. Wir bei Loveco haben folgende Gründe, die wir Dir hier erklären möchten:

1. Wir haben uns schlichtweg verschätzt.

Wir im Einzelhandel ordern unsere Ware ca. sechs Monate, bevor wir sie in die Läden geliefert bekommen. Es ist schwer vorherzusagen, was für Wetter sein wird und ob eher Gummistiefel oder Sommerkleidchen angesagt sind. Außerdem ist es nicht leicht, sich bereits zu diesem Zeitpunkt in die Kund:innen und ihre Wünsche hineinzuversetzen. Auch wenn wir erst vor kurzem in ein neues Lager gezogen sind: Unsere Kapazitäten sind begrenzt und wir brauchen in regelmäßigen Abständen Platz für neue Ware.

Im Artikel zu unserer Labelauswahl erfährst Du mehr über unseren Einkaufs- und Auswahlprozess.

2. Restgrößen bleiben am Ende einer Saison immer übrig.

Das ist einfach ein Gesetz der Dinge. Auch hier müssten wir als Einkäuferinnen hellseherische Fähigkeiten haben: Wie viele Kund:innen mit Größe M werden ein bestimmtes Kleidungsstück kaufen und wie viele in XL? Wir können natürlich versuchen, diese Restgrößen im Laden hängen zu lassen oder in der nächsten Saison wieder herauszuholen. Doch auch das garantiert nicht, dass wir immer alles verkaufen – vor allem nicht in Zeiten von Pandemie und Rezession.

3. Wir möchten mehr Menschen erreichen.

Wir wollen auch Leute erreichen, die sich unsere Kleidung zum Normalpreis schlichtweg nicht leisten können. Auch ich bin mal zur Schule gegangen und habe studiert. Ich weiß, wie es ist, vor der Jacke für 180 Euro zu stehen und sagen zu müssen: „Kann ich mir gerade nicht leisten!“ Das gilt natürlich nicht nur für Studierende, sondern auch für Menschen, die arbeitslos sind, Sozialhilfe beziehen oder Alleinerziehende.

Meine Erfahrung zeigt: Wer einmal begonnen hat, sich fair und ökologisch zu kleiden, der hört damit nicht auf, wenn er/sie mit Qualität und Stil zufrieden ist. Also wurde vielleicht mit einem reduzierten Artikel ein neuer Mensch gewonnen, der damit beginnt, sich für einen kritischeren Konsum zu begeistern. Das ist großartig!

4. Wirtschaftliche Zusammenhänge

Zu guter Letzt: Sicher sind auch wirtschaftliche Interessen mit einem Sale verbunden. Ein Unternehmen, das sich gegen große konventionellen Konzerne behaupten will, hat es schwer, wenn es sich gegen alle Regeln des Marktes stellt. Dabei ist nicht ein Sale das Problem: Es wird Zeit, das System von Grund auf zu ändern!

Mode darf kein Wegwerfartikel sein, es muss wieder gelten: Weniger ist mehr! Menschen müssen die Arbeit, die in einem Kleidungsstück steckt, wieder schätzen lernen. Sie müssen bereit sein, dafür zu zahlen. Es funktioniert nicht einfach so, Ihnen das beizubringen – konsumierende Gesellschaften werden ihr Verhalten nicht von heute auf morgen ändern. Deshalb möchten wir die Modewelt von innen heraus verändern und so mehr Nachhaltigkeit in die Mode bringen.

Besonders zu Black Friday gibt es viel Sale

Damit diese Thematik mehr Aufmerksamkeit erhält, haben wir in den vergangenen Jahren mit unseren Fair Friday Spenden eine Gegenaktion zu den Rabattschlachten des Black Fridays veranstaltet. Leider konnten 2023 aufgrund unserer wirtschaftlichen Lage nicht spenden. Doch wir hoffen, dass das in Zukunft wieder möglich ist!

Pandemie und Rezession: Besondere Zeiten für Sales und Rabatte

Das Thema Sale war bereits vor der Pandemie komplex. Nun kommt aber noch ein wichtiger Punkt dazu: Durch Corona und die unterschiedlichen Lockdowns sind uns viele Monate in den Läden verloren gegangen. Unser Online Shop hat zwar viel aufgefangen, aber längst nicht alles. Es gibt einfach immer Styles, die wir eher für die Läden als online planen und dann durch die Schließungen eine viel kürzere Zeit hatten, um abverkauft zu werden. In den vergangenen Jahren kam hierzu noch der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine, der sich auch auf die deutsche Wirtschaft und Kaufkraft auswirkt.

Fair Fashion + Sale = Fast Fashion?

Trotz Sale: Vom Thema Fast Fashion sind wir weit entfernt im Bereich der nachhaltigen Mode! Denn außer Rabattierungen gibt es noch viel mehr, das uns voneinander unterscheidet: Konventionelle Marken werfen alle sechs Wochen neue Kollektionen auf den Markt. Von der Idee bis zum fertigen Produkt im Laden dauert es nur wenige Wochen. Der Großteil unserer Marken beschränkt sich auf zwei Kollektionen pro Jahr; sie können und wollen dieses absurde System nicht mitspielen.

Mehr zu unseren Modezyklen und Preiskalkulationen kannst Du im Beitrag „Warum ein faires T-Shirt 29 Euro kostet“ lesen.

Wir versuchen uns gegen den „normalen“ Sale-Zyklus der Fast Fashion zu stellen. Doch auch viele Brands und Online Shops im nachhaltigen Bereich beginnen Mitte Juni oder im Dezember Saison-Sales. Wir finden: Das ist mitten in den Jahreszeiten. Für uns ist es ein komisches Gefühl, z.B. in einer Zeit Sommersachen zu reduzieren, in der viele noch bereit sind, den vollen Preis für Sommershorts zu zahlen. Das ist zumindest unsere Erfahrung in den Läden. Online ist der Preiskampf natürlich für uns auch deutlich spürbar.

Deshalb landen bei uns als erstes die Sachen im Sale, die schon seit mehr als drei Monaten in unserem Lager liegen. Ware, die wir erst kürzlich erhalten haben, kommt erst zu einem späteren Zeitpunkt zum Sale dazu – oder manchmal auch gar nicht.

Allerdings haben wir im vergangenen Jahr aufgrund der globalen Lieferverzögerungen einen Teil der Ware sehr spät erhalten. Das stellt uns vor neue Probleme. Gerade seit dem Beginn der Pandemie fallen uns die Planungen der Verkäufe für Online-Shop und Läden immer schwerer; kommt es zu verspäteten Auslieferungen, wird es wirklich kompliziert für uns, unsere Lagerkapazitäten gut zu managen. Hier wird also der 1. Grund von oben („Wir haben uns schlichtweg verschätzt“) nochmal verstärkt.

Unser Learning: Wir werden die nächsten Saisons vorsichtiger planen und lieber etwas weniger vorordern als früher. Dadurch haben wir weniger Überhänge und können so hoffentlich vermeiden, dass zu viel Ware in den Sale geht. In diesen ungewissen Zeiten aus Pandemie, Krieg und Inflation ist es einfach eine große Herausforderung, genau einzuschätzen, wie viel benötigt wird. Doch dann sollte gelten: Lieber etwas zu wenig als zu viel.

Und was passiert mit Kleidung, die wir auch im Sale nicht abverkaufen? Dafür versuchen wir in regelmäßigen Abständen Lagerverkaufsevents zu veranstalten, bei denen wir die Kleidung erneut stark reduziert anbieten und so noch mehr Menschen einen Zugang zu nachhaltiger Mode ermöglichen. Alles, was dort noch übrig bleibt, landet bei sorgfältig ausgewählten Shops und Läden für ältere Kollektionen nachhaltiger Mode, wie z.B. Suslet und Mit Ecken und Kanten. Sie geben unserer Restposten-Kleidung eine zweite, dritte oder manchmal auch vierte Chance. Das Gute daran: Wir erhalten wieder mehr Platz im Lager, bringen weiteren Menschen Fair Fashion näher und auch die Nicht-Berliner:innen freuen sich, die nicht zu unserem Lagerverkauf kommen konnten.

Fazit: Nische oder nicht?

Wir bewegen uns mit unserer Fair Fashion nach wie vor in einer Nische. Wollen wir wirklich etwas in der Modewelt verändern, im ethischen wie im ökologischen Sinne, dann müssen wir erst aus unserem Nischendasein herauskommen, bevor wir die Branche zu Tode kritisieren. Diesen Luxus können wir uns noch lange nicht leisten. Kritik ist gut, aber sie sollte konstruktiv bleiben und die Realität nicht aus den Augen verlieren.

Meine persönliche Meinung: Sale ja, aber bitte liebe Eco Fashion Brands – kein Mensch liest vier Newsletter mit einer Sale-Ankündigung in der Woche. Dazu hat niemand Zeit und es nervt gewaltig! Entweder landen solche Mails direkt im Papierkorb oder werden im Zweifel abbestellt. 

Übrigens: Auch unsere Marke recolution hat Interessantes zu dem Thema zu sagen, schaut mal rein.

Du schaust gern bei uns hinter die Kulissen? Wir haben noch mehr Spannendes für Dich! Erfahre mehr zu unseren Finanzen und CO2-Emissionen bei Loveco.

Bei Fast Fashion Trends möchtest Du auf gar keinen Fall mitmachen? Probiere doch mal eine Fair Fashion Capsule Wardrobe aus.

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